Wo bleibt denn die Lebensqualität?

„Sind wir noch ganz richtig im Kopf?“, fragten wir im Titelinterview der letzten Ausgabe die Psychotherapeutin Kristina Fisser. Wenn ich alleine den letzten Monat Revue passieren lasse, dann muss ich Kristina Fisser recht geben, die sagt, dass die meisten von uns einen Dachschaden haben.

Wir sind wohl körperlich und geistig fit, aber vergessen immer mehr, dass das Leben nicht nur aus Arbeit, Terminen und Geld verdienen besteht. Dabei ist es nicht der Druck von außen, der uns fertig macht. Wir sind es selber, die den unsäglichen und ganz sicher nicht gesunden Stress machen. Alles muss immer noch schneller gehen. Wir sitzen in unserem Hamsterrad und laufen um unser Leben. Meist mit einem Erfolg, der in keiner Relation zum tatsächlichen Einsatz steht.

 

Neulich ist mir ausgefallen, dass wir uns jetzt sogar Telefongespräche sparen. Es könnte ja Zeit kosten, wenn wir mit jemandem sprechen. Wir kommunizieren per WhatsApp oder noch besser, weil schneller, per Sprachnachricht. Da besteht keine Gefahr, dass jemand dringend Gesprächsbedarf hat. Die Großfirmen machen uns das vor, sie sind telefonisch gar nicht mehr ansprechbar. Senden Sie eine Mail …

 

Von einem meiner Professoren habe ich mein Berufsleben lang einen Rat zu Herzen genommen, der da hieß: „Vergiss die alten Kunden nicht …!“ Einmal im Jahr pflege ich die Kontakte zu alten Kunden und Geschäftspartnern und versuche mit ihnen, wie es früher üblich war, einen Termin zum Mittagessen zu vereinbaren. Während eine solche Einladung in der Vergangenheit gerne angenommen wurden, scheint es heute nicht mehr möglich zu sein, einen Termin zu finden. „Mittagessen? Das dauert doch so lange. Wir könnten doch mal schnell einen Kaffee trinken? Oder skypen?“

 

In Frankreich, von meinem Wohnsitz keine Stunde entfernt, läuft das anders. Termin grundsätzlich so gegen 11 Uhr. Ein lockeres Begrüßungsgespräch: Was macht die Familie und die Kinder, der Hund, die Kanzlerin und euer Diesel-Fahrverbot?

 

Dann geht man gepflegt essen. Zwei, drei oder auch mal vier Stunden. Dabei wird jedoch STRESSLOS gearbeitet, Ideen entwickelt, neue Geschäftsmodelle diskutiert und oft ganz nebenbei Freundschaften geschlossen oder gepflegt. Arbeit lässt sich also durchaus mit Lebensqualität verbinden. Ich denke, dadurch hat man am Ende des Tages nicht weniger Umsatz. Denn Geschäfte unter Druck und Zeitnot sind meist schlechte oder wenig nachhaltige Geschäfte.

 

Ich führe viele Gespräche mit Politikern, Meinungsbildern, Großunternehmern, Mittelständlern und sehr erfolgreichen Networken. Diese Leute haben Macht, Geld, Beziehungen, doch den meisten fehlt ein Stück Lebensqualität. Schade eigentlich, denn man muss seine eigene Lebensqualität nur wirklich wollen und vor allen Dingen seinen eigenen Beitrag dazu leisten.

 

In diesem Sinne, nur kein Stress!

 

Herzlichst Ihr

Bernd Seitz

Herausgeber der Network-Karriere