Harter Hunger, zarter Hunger: Unser Hirn steht auf Zucker

Da wir uns über Weihnachten und dem Jahreswechsel regelmäßig überfressen und dann mit allen guten (Abnehm-)Vorsätzen ins Neue Jahr retten, haben wir Patric Heizmann gebeten, uns in einem Titel-Interview in der Network-Karriere Januar-Ausgabe 2017 zu erklären, wie wir uns idealerweise besser und gesünder ernähren. Patric Heizmann ist da nicht verschrocken, er leiert keine allgemeinen Tipps und Ratschläge herunter, sondern liest einprägsam die Leviten.

Wenn er da ist, gibt es kaum eine Chance auf Gegenwehr: der Hunger. Doch es gibt zwei unterschiedliche Arten von Hunger: den harten und den zarten Hunger. Und die beiden haben einen großen Einfluss auf unser Essverhalten. Unser Hirn steht auf Zucker. Oder genauer: auf Glukose. Glukose schwimmt im Blut herum. Sobald der Blutzuckerspiegel im Keller hängt, gehen im Dachstuhl die Sirenen an: unser Hirn schreit "Alarm". Aber es gibt unterschiedliche Alarmstufen.

Harter Hunger – der komplette Kontrollverlust
Kohlenhydrate. Wir stehen drauf. Sie schmecken gut. Oder besser: sie schmecken unserem Hirn. Es ist der Lieblingstreibstoff. Der Hirnmatsch badet gerne darin. Unserem restlichen Organismus schmeckt Zucker dagegen gar nicht gut: ein immer wiederkehrender, hoher Zuckerspiegel verklebt die roten, sauerstofftransportierende Blutkörperchen (nennt sich "Glykierung"). Das so genannte "Geldrollenphänomen" kann erfolgen. Die einst sehr geschmeidigen Blutkörperchen kommen zusammengepappt nicht mehr in die feinsten Blutgefäße, die Kapillare. Das Gewebe, wo der transportierte Sauerstoff nicht mehr ankommt, "erstickt" – aus diesem Grund leiden die Augen und Nieren schlecht eingestellter Diabetikerpatienten, weil sich dort enorm feine Gefäße befinden.

Unser Organismus hat aber eine wirksame "Waffe" gegen den hohen Zuckerspiegel: das Speicherhormon Insulin. Bei hohem Zucker wird viel davon aus der Bauchspeicheldrüse geworfen. Rasant schnell stürzt der Blutzuckerspiegel in den Unterzucker. Das zuckerhungrige, kohlenhydratverwöhnte Hirn schreit nach Nachschub und schaltet vorsorglich den Verstand, das vernünftige und figurbewusste Denken, komplett auf Standby. Unsere innere Stimme verkauft uns ganz diplomatisch, dass eine zuckrige, weißmehlhaltige Nahrungsquelle im Moment unbedingt notwendig und tolerierbar ist. Der Blutzucker fährt erneut Achterbahn. Und wenn die Muckis bereits wegen Kohlenhydratüberfüllung geschlossen haben, wird der Zucker im Endlager, den Fettzellen geparkt.

 

Wer einen solchen Teufelskreis aus starkem Hunger > schnelle Zucker-Weißmehl-Kohlenhydrate > Insulinausschüttung > starkem Hunger einmal beginnt, kommt da schwer wieder raus. Vorsorge ist bekanntlich die beste Strategie. Und sie ist einfach.

 

Zarter Hunger – das Hirn bleibt online
Wenn der Zuckerspiegel im Blut nur langsam absinkt, bleibt die Großhirnrinde noch ausreichend lange online. Damit haben wir die Chance, uns nach gesünderen Kalorienquellen umzusehen. In dieser Karenzzeit sollten wir unbedingt neben Kohlenhydrate auf ausreichend Eiweiß achten! Weil Eiweiß den Zuckereinstrom ins Blut deutlich verlangsamt, was den Blutzuckeranstieg flachhält. Und dann wird auch weniger Insulin herausgekitzelt.

Der langsame Zuckereinstrom in Blut erreicht das Gehirn aber noch rechtzeitig, bevor es den Alarm auslösen kann, der uns dann willenlos wie Zombies fast bewusstlos beim nächsten Bäcker an die Getreidetheke torkeln lässt, mit Fokus auf die süßen Teilchen. Diese "Eiweiß"-Strategie sorgt somit dafür, über Tage, Wochen, Monate und Jahre viel weniger Gesamtkalorien aufzunehmen. Das schmeichelt unserer Figur.

Das Gehirn sorgt mittels Hunger für eine konstante Versorgung mit seinem Lieblingsbrennstoff. Die Figurfolgen sind dem Hirn leider völlig gleichgültig. Weil es ein neuzeitliches Luxusproblem ist, dass sich in der evolutionären Bedeutungshierarchie ganz hinten einordnen muss. Du aber steuerst mit der regelmäßigen Eiweißversorgung die Schwankung des Blutzuckerspiegels.

Und du kannst den Nachschubimpuls lenken, wenn der Blutzucker durch diese Ernährungsstrategie nur langsam absinkt. Es bleibt dir Zeit, zum bewusst wählen. Du schenkst deinem Hirn Zeit.

Patric Heizmann
www.ich-bin-dann-mal-schlank.de